Die Bedeutung der Atmung für die Yogapraxis
“Jeder kann Yoga praktizieren, solange er atmet.”
Dein Körper gibt jeden Tag alles dafür, um dich am Leben zu halten. Dein Herz schlägt 60 bis 90 Mal pro Minute. Dabei werden ungefähr fünf bis sechs Liter Blut durch deine Gefäße gepumpt, welche alle Organe und verschiedene Körpergewebe mit Sauerstoff und anderen wichtigen Stoffen versorgen. Damit deine Blutbahnen Sauerstoff transportieren können, ist die Atmung unabdingbar. Ein erwachsener Mensch tätigt etwa 12 bis 18 Atemzüge pro Minute, um Sauerstoff aus der Umgebung aufzunehmen und Kohlenstoffdioxid abzugeben. Diese beiden Körperfunktionen sind für dich lebensnotwendig und laufen doch tagtäglich für dich ganz unbewusst, scheinbar ohne großen Energieaufwand ab. Niemand muss sich daran erinnern zu atmen oder sein Herz schlagen zu lassen.
Doch tatsächlich kannst du deine Atmung, anders als deinen Herzschlag, willentlich beeinflussen. Dir ist bestimmt schon mal aufgefallen, dass du in Situationen, die dich stressen oder in denen du dich unwohl fühlt, deine Atmung eher flach und schnell geht. Während du ganz ruhig und tief atmest, wenn du dich an einem sicheren Ort befindest. Yoga geht davon aus, dass Atmung und Geist in Verbindung stehen. Das bedeutet, dass du deinen Geist bzw. deine Gedanken durch deine Atmung beeinflussen, ja sogar beruhigen kannst.
Um deinen Atem kontrollieren zu können, gibt es im Yoga verschiedene Atemübungen, sog. Pranayama-Techniken. Pranayama setzt sich aus “Prana”, was als Lebensenergie übersetzt werden kann und Ayama, steht für Ausdehnung/Kontrolle, zusammen. Es geht hierbei also um die Kontrolle der Lebensenergie, um den Geist zu beruhigen bzw. Zu kontrollieren. Atmung und Lebensenergie werden im Yoga oft gleichgesetzt. Ich möchte dir im Folgenden ein paar Atemtechniken vorstellen, die du ganz einfach zuhause praktizieren kannst.
- Rechaka Kumbhaka – Das Halten in der Atemleere
Hierbei atmest du 80% deines Gesamtlungenvolumens (nach Gefühl) ein. Anschließend atmest du aus und hältst den Atem, bis du merkst, dass deine Einatmung von ganz allein wiederkommt.
2. Puraka Kumbhaka – Das Halten in der Atemfülle
Du atmest wieder 80% deines Lungenvolumens ein, hältst danach den Atem, bis du merkst, dass deine Ausatmung automatisch kommt.
3. Puraka Rechaka Kumbhaka – Das Halten in der Atemfülle und –leere
Du atmest ein, hältst die Atmung, atmest aus und hältst deine Atmung erneut.
Versuch bei den Kumbhaka-Techniken deine Atemzüge so langsam und lange wie möglich auszudehnen. Dabei sollte aber nichts erzwungen werden. Wenn du merkst, dass ein Atemimpuls kommt, gib diesem einfach nach.
„When you own your breath, nobody can steal your peace.“ (Wenn du deinen Atem kontrollierst, kann keiner deinen Frieden stehlen.)
4. Nadhi Shodana
Bei Nadhi Shodana handelt es sich um eine Wechselatmung, die in Vishnu-Mudra praktiziert wird. Dabei streckst du deinen Daumen, Ringfinger und Kleinfinger, während du Zeige- und Mittelfinger an eure Handfläche beugst. Du beginnst damit, dass du dein rechtes Nasenloch mit dem Daumen zuhältst und gleichzeitig durch das linke Nasenloch ausatmest. Anschließend hältst du das linke Nasenloch mit deinem Ringfinger zu, atmest durch rechts ein, hältst beide Nasenlöcher zu und deinen Atem an. Linkes Nasenloch wird geöffnet, um aus- und wieder einzuatmen. Beide Nasenlöcher schließen, Atem halten. Rechts öffnen und ausatmen, rechts einatmen, halten, links ausatmen. Diesen Vorgang kannst du so oft du magst wiederholen. Die Pranayama-Technik wird durch das Ausatmen auf der linken Seite beendet.
Durch Nadhi Shodana möchte man eine Art Balance zwischen den Nasenlöchern entstehen lassen, da aus yogischer Sicht davon ausgegangen wird, dass Prana über Energiebahnen, sogenannte Nadis, durch den Körper fließt. Hier gibt es einen Hauptnadi, Sushumna. Unsere beiden Körperhälften werden verschiedenen Prinzipien zugeteilt. Links verkörpert das weibliche Prinzip, Ida, welches für den Mond, das Kühle, Kreativität, Ruhe, Entspannung und Regeneration steht. Rechts verkörpert das männliche Prinzip, Pingala, und steht für die Sonne, Wärme, Aktivität und rationales Denken. Die Dominanz der Nasenlöcher während unserer Atmung wechselt sich regelmäßig ab. Wenn also durch das rechte Nasenloch besser geatmet werden kann, gilt dies als aktiver. Wir sind also in unserer männlichen Energie, Pingala, können besser rational denken. Können wir durch unser linkes Nasenloch besser atmen, ist Ida aktiver und uns fällt intuitives Handeln leichter. Innere Meditaion und Einkehr soll gut möglich sein, wenn beide Nasenlöcher gleich geöffnet sind. Nadhi Shodana schafft demnach eine Balance der Energiebahnen.
5. Bhastrika – Blasebalg-Atmung
Diese Atemtechnik wirkt sehr energetisierend. Anfangs kann dir dabei schwindelig werden, da die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn sehr groß ist. Du atmest durch die Nase tief ein und auch tief wieder aus. Diesen Vorgang kannst du für 20 bis 30 Atemzüge wiederholen. Wenn du die Übung beenden willst, atmest du noch einmal tief ein, hältst die Luft so lange wie möglich (ohne Forcierung) an und atmest vollständig wieder aus.
Durch die verschiedenen Atemtechniken kannst du lernen ganz gezielt und bewusst deine Atmung sowie deinen Geist zu kontrollieren und zu beruhigen. Doch warum spielt die Atmung auch während der Yogapraxis so eine wichtige Rolle?
- Bei der körperlichen Yogapraxis kann dir deine Atmung helfen, dein Bewusstsein bzw. Deine Aufmerksamkeit zu lenken. Oft sind wir mit unseren Gedanken überall, nur nicht da, wo wir eigentlich gerade sein sollten. Daher kann dich der Fokus auf deine Atmung während deiner Praxis dabei unterstützen im hier und jetzt zu bleiben. Vor allem die Ujjayi-Atmung kann hilfreich sein. Ein hörbarer Atem, der durch Hauchen bei geschlossenem Mund entsteht.
- Deine Atmung kann dir eine Stütze sein bei der Ausführung deiner Asanas. Wir nehmen die Atmung oft als Indiz dafür, wie tief du in deine Asana gehen kannst. Beobachte dich am besten selbst bei der Praxis, versuch wahrzunehmen, ob dein Atem noch problemlos fließt. Wenn dies nicht der Fall ist, geh einen Schritt zurück und praktiziere eventuell in einer modifizierten Variante dieser Yogapose. So entsteht eine Verbindung zwischen Körper und Atmung.
- Durch deine Atmung kannst du deinen eigenen Rhythmus während deiner Yogapraxis finden. Denn gerade bei Ashtanga-Yoga liegt der Fokus darauf, dass dein Körper deiner Atmung folgt. Deine Atmung gibt dir deine “Geschwindigkeit” deiner Praxis vor. Fühl in dich hinein und lasse dich leiten.
- Eine bewusste und gesunde Atmung ist gut für deinen Kreislauf und deine Gesundheit. Dadurch kann genug Sauerstoff durch deinen Körper in deine Zellen transportiert werden.
Physiologisch ist die Atmung simpel zu erklären, sie dient dem Gasaustausch und sorgt dafür, dass unser Körper und all seine Zellen mit Sauerstoff versorgt wird. Doch auf psychischer und energetischer Ebene bedeutet Atmung so viel mehr. Sie kann uns helfen unseren Geist zu beruhigen, Gedanken zu entschleunigen und einfach nur im Hier und Jetzt zu sein. Ohne Fokus auf das, was war oder was sein wird. Vielleicht kannst du dir demnächst ein wenig Zeit nehmen, dich an einen ruhigen Ort setzen, die Augen schließen, ruhig ein- und ausatmen. Dich einfach nur auf deine Atmung konzentrieren und beobachten was mit und in deinem Körper und Geist geschieht. Schenke der kraftvollen Magie deines Atems Raum!
Wenn du die Magie der Atmung gemeinsam mit mir entdecken möchtest, dann melde dich gerne bei mir. Ich freue mich darauf, gemeinsam mit dir Yoga zu praktizieren und die Magie unserer Atmung freien Lauf zu lassen.